Mehr Abschiebungen, besonders nach Afghanistan und Syrien – Was die Koalition jetzt plant

Die neue Bundesregierung will die Zahl der Abschiebungen deutlich erhöhen. Im Fokus steht dabei vor allem Afghanistan und auch Syrien. Abschiebungen scheitern dabei häufig nicht nur an rechtlichen oder humanitären Gründen, sondern auch an praktischen Hürden: etwa mangelnder Kooperationsbereitschaft der Herkunftsstaaten. Die Koalition will dem unter anderem begegnen, indem Anreize wie Visa-Erleichterungen oder wirtschaftliche Unterstützung an die Rücknahmebereitschaft geknüpft werden.

Was heißt das für Betroffene? Wer ist gefährdet – und was sollte man jetzt tun?

Die künftige Bundesregierung aus CDU/CSU und SPD hat im Rahmen der Koalitionsverhandlungen angekündigt, Abschiebungen konsequent und in größerem Umfang durchzuführen. Im Mittelpunkt der Diskussion stehen derzeit insbesondere Abschiebungen nach Afghanistan und perspektivisch auch nach Syrien. Nach Afghanistan gab es bereits im August 2024 eine erste Abschiebung seit der Machtübernahme der Taliban im Jahr 2021. Derzeit kursieren erneut Gerüchte, dass jederzeit ein neuer Abschiebeflug stattfinden könnte. Bereits im Februar gab es entsprechende Hinweise, aktuell gilt Mitte April als möglicher Zeitpunkt.

Auch wenn Abschiebungen nach Afghanistan einmal mehr unter der Taliban-Herrschaft umstritten sind, argumentiert die Bundesregierung, dass insbesondere straffällig gewordene Personen oder sogenannte Gefährder zurückgeführt werden können. Eine solche Differenzierung kennt das Asylrecht aber nicht. Personen dürfen nicht in ein Land abgeschoben werden, in dem ihnen menschenunwürdige Behandlung droht – unabhängig davon, ob sie als Straftäter oder sogenannte Gefährder eingestuft werden. Es handelt sich somit um eine rein politische Entscheidung, die vor allem auf öffentliche Zustimmung zielt. Bereits vor der Machtübernahme durch die Taliban fanden monatlich Sammelabschiebungen nach Afghanistan statt. Die Bundesregierung scheint nun an diese Praxis anknüpfen zu wollen.

Bezüglich Syrien hat (die ehemalige) Außenministerin Baerbock im Januar 2025 erstmals seit 2012 wieder eine deutsche Botschaft in Damaskus eröffnet. Dies stellt einen ersten Schritt der Annäherung an die neue syrische Übergangsregierung dar. Ich gehe derzeit nicht davon aus, dass unmittelbar mit Abschiebungen nach Syrien zu rechnen ist. Allerdings hat bereits die Abschiebung im August 2024 nach Afghanistan gezeigt, dass solche Entscheidungen überraschend erfolgen können – auch ohne erkennbare Verbesserung der Lage. Es kann also jederzeit zu überraschenden Abschiebungen kommen – insbesondere für Personen, die als schwere Straftäter oder sogenannte Gefährder gelten. Angekündigt werden solche nicht.

Wer ist gefährdet?

Gefährdet sind derzeit insbesondere Personen, deren Asylantrag rechtskräftig abgelehnt wurde und die lediglich über eine Duldung verfügen, also auch nicht im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis sind. Besonders im Fokus stehen Personen, die straffällig geworden sind und bei denen die Behörden keine ausreichende Integrationsleistung erkennen. Personen, die eine gute Integrationsleistung vorzeigen können, dürften in der Regel im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis sein, da sie meist schon länger in Deutschland leben und entsprechende Ansprüche geltend machen können. Personen, die über keine Aufenthaltserlaubnis verfügen, sollten sich dringend beraten lassen.

Wer ist gar nicht oder wenig gefährdet?

Personen mit einer gültigen Aufenthaltserlaubnis oder einem noch laufenden Asylverfahren, die im Besitz einer Aufenthaltsgestattung sind, sind gar nicht gefährdet. Achtung: Personen, die sich im laufenden Asylverfahren befinden, aber nicht im Besitz einer Aufenthaltsgetattung sind, sind ebenso gefährdet. Hier muss im Rahmen eines Eilverfahrens durchgesetzt werden, dass eine Abschiebung bis zum Abschluss des Klageverfahrens unzulässig ist.

Wer sollte langfristig handeln?

Personen, die über einen Schutzstatus durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, also als Folge eines Asylverfahrens, im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis sind, wird dringend geraten, ihren Status zu verfestigen – etwa durch die Beantragung einer Niederlassungserlaubnis oder Einbürgerung. Warum? In diesen Fällen hängt die Aufenthaltserlaubnis vom Schutzstatus aus dem Asylverfahren ab. Dieser kann jederzeit widerrufen werden, wenn das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge eine veränderte Sachlage annimmt.
Nicht gefährdet sind aktuell außerdem Personen, die zwar eine Duldung haben, aber bei denen das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge einen Schutzstatus festgestellt hat. Auch wenn diesen Personen aufgrund von Straftaten keine Aufenthaltserlaubnis erteilt wurde, dürfen sie derzeit nicht abgeschoben werden. Zugleich ist davon auszugehen, dass diese Personen besonders im Fokus stehen und ihr Schutzstatus regelmäßig überprüft und jederzeit widerrufen werden kann. Sobald dieser Schutzstatus entfällt, kann eine Abschiebung unmittelbar erfolgen.
Gerade im Hinblick auf Syrien ist derzeit davon auszugehen, dass es nur wenige Betroffene gibt, die gar keinen Schutzstatus vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge erhalten haben. In vielen Fällen liegt eine Duldung nur deshalb vor, weil aufgrund von Straftaten keine Aufenthaltserlaubnis erteilt wurde – ein Schutzstatus (z. B. subsidiärer Schutz) aber dennoch besteht. Bei diesen Personen ist damit zu rechnen, dass erste Überprüfungsverfahren des Schutzstatus eingeleitet werden.
Bei afghanischen Staatsangehörigen gibt es hingegen eine größere Zahl von Personen, deren Asylverfahren abgeschlossen ist und die keinen Schutzstatus haben und auch keine Aufenthaltserlaubnis auf anderer Grundlage. Viele dieser Menschen leben jedoch bereits seit vielen Jahren in Deutschland. Hier ist dringend zu prüfen, ob eine Aufenthaltserlaubnis aus anderen Gründen – etwa wegen guter Integration – in Betracht kommt oder ob ein Folgeantrag sinnvoll und rechtlich tragfähig ist.

Was also tun?

Umgehend anwaltlichen Rat einholen und individuelle Schutzmöglichkeiten prüfen. Gesundheitliche Einschränkungen und psychische Belastungen sollten ärztlich dokumentiert werden. Und: Die Verfestigung der Aufenthaltserlaubnis sollte in jedem Fall frühzeitig geprüft werden.
Gerade bei Folgeanträgen oder bei der Prüfung alternativer Aufenthaltstitel handelt es sich um hochkomplexe Verfahren, in denen pauschale Einschätzungen gefährlich sein können. Es reicht besonders bei Folgeanträgen nicht aus, darauf zu verweisen, dass Gefahr im Herkunftsland droht – die rechtliche Aufarbeitung muss differenziert und detailliert erfolgen. Für einen Folgeantrag bedarf es eines gut ausgearbeiteten Sachvortrags, aus welchen Gründen sich die Sachlage derart verändert hat, dass nunmehr ein Schutzstatus zuzuzusprechen ist. Dafür braucht es spezialisierte Anwältinnen und Anwälte, die gemeinsam mit den Betroffenen strukturiert vorgehen. Frühzeitige Beratung ist entscheidend.
Ich rate ausdrücklich davon ab, sich allein auf Sozialarbeiter:innen oder Beratungsstellen zu verlassen. Diese können unterstützen, ersetzen aber keine rechtliche Begleitung. Aufenthaltsmöglichkeiten ergeben sich oft nicht offensichtlich, sondern müssen rechtlich erarbeitet und begründet werden.
Es ist daher auch empfehlenswert, frühzeitig finanzielle Vorsorge für anwaltliche Unterstützung zu treffen. Komplexe Verfahren lassen sich nicht mit pauschalen Vorträgen abhandeln. Es bedarf einer intensiven Auseinandersetzung mit dem jeweiligen Einzelfall. Wer rechtzeitig plant, hat bessere Chancen, tragfähige Lösungen zu entwickeln.
Die Situation bleibt dynamisch und politisch geprägt. Entscheidungen können kurzfristig erfolgen. Es ist daher dringend geboten, rechtzeitig aktiv zu werden.

Und für was das alles?

Auffällig ist, dass sich der aktuelle Fokus auf Abschiebungen ausgerechnet auf Länder wie Afghanistan und Syrien richtet – zwei Länder mit einer nach wie vor extrem prekären Sicherheits- und Menschenrechtslage. Dabei gibt es in Deutschland viele Menschen, die vollziehbar ausreisepflichtig sind, aus Herkunftsstaaten stammen, bei denen Rückführungen rechtlich weniger problematisch wären, bei denen sich keine besondere Schutzbedürftigkeit aufdrängt und auch die sonstigen Perspektiven im Bundesgebiet begrenzt sind. Warum konzentriert sich die politische Debatte erneut auf zwei Länder, in denen Abschiebungen mit hohen Risiken verbunden sind und tatsächlich nur eine sehr geringe Zahl Betroffener überhaupt in Betracht kommt?
Es entsteht auch hier wieder der Eindruck einer reinen Symbolpolitik – mit gravierenden Nebenwirkungen. Viele Menschen, die in Deutschland leben und tatsächlich nicht betroffen sind, reagieren mit massiver Verunsicherung. Sie leben in Angst, entwickeln psychische Belastungen, und ihre Integration wird dadurch oft erheblich erschwert. Wer unter existenzieller Angst steht, verliert Stabilität, Arbeitsfähigkeit und gesellschaftliche Teilhabe. Eine verantwortungsvolle Migrationspolitik müsste hier anders ansetzen.

Kurz zusammengefasst: Was jetzt zu tun ist?

  • Aufenthaltsstatus und Duldung regelmäßig überprüfen lassen
  • Möglichkeiten der Verfestigung des Aufenthalts (Niederlassungserlaubnis, Einbürgerung) prüfen
  • Bei ablehnenden Asylbescheiden: rechtzeitig anwaltliche Beratung einholen
  • Folgeanträge nicht unvorbereitet stellen – sorgfältige Vorbereitung mit spezialisierter anwaltlicher Begleitung
  • Gesundheitszustand (insbesondere psychische Belastungen) dokumentieren
  • Frühzeitig finanzielle Mittel für rechtliche Beratung sichern