In den letzten Monaten häufen sich Meldungen, wonach bereits ein einziger Post, Like oder ein Meme auf Instagram, Facebook oder X (vormals Twitter) strafrechtliche Ermittlungen – bis hin zur Hausdurchsuchung – ausgelöst haben soll. Darf die Polizei tatsächlich wegen eines Social Media Beitrags die Wohnung durchsuchen? Und wann ist eine solche Maßnahme unverhältnismäßig?

Der Fall Bolz: Ermittlungen nach einem satirischen Post
Der Berliner Publizist Norbert Bolz machte sich in einem Beitrag über „Wokeness“ lustig und verwendete dabei ironisch die NS Parole „Deutschland erwache“. Daraufhin wurde ein Ermittlungsverfahren wegen § 86a StGB eingeleitet. Die Norm stellt das Zeigen oder Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen (z. B. NS Slogans wie „Deutschland erwache“ oder „Alles für Deutschland“) unter Strafe.

Nach Einleitung des Ermittlungsverfahrens wurde eine Hausdurchsuchung angeordnet, die Bolz nur durch freiwillige Kooperation abwenden konnte: Er gewährte Einsicht in sein X Profil, sodass die Durchsuchung unterblieb.

Zurück blieb die Debatte: Strafbarkeit oder Satire? Und wäre eine Hausdurchsuchung in diesem Kontext rechtmäßig gewesen?

In diesem Beitrag befasse ich mich jedoch ausschließlich mit der Frage der Durchsuchung, nicht mit der Strafbarkeit des Beitrags auf X.

Wann ist eine Hausdurchsuchung erlaubt?
Rechtsgrundlage ist § 102 StPO. Bei einer beschuldigten Person darf durchsucht werden, wenn

  • ein Anfangsverdacht besteht, dass sie eine Straftat begangen hat, und
  • zu erwarten ist, dass taugliche Beweismittel gefunden werden können (z. B. auf dem Smartphone, Laptop oder in Notizen).

Bei Online-Delikten – etwa bei Posts, Memes oder Kommentaren – wollen Ermittlungsbehörden häufig klären,

  • ob die Person tatsächlich Inhaberin bzw. Inhaber des Accounts ist, und
  • ob sie den Beitrag selbst verfasst oder geteilt hat.

Die Eingriffsschwelle ist insgesamt niedrig: Liegt ein Anfangsverdacht vor, sind die Voraussetzungen für eine Durchsuchung in der Regel bereits erfüllt – und ein solcher Verdacht ist oftmals schnell gegeben. Entscheidend ist daher meist die Frage der Verhältnismäßigkeit.

Verhältnismäßigkeit im Fokus
Unterstellt man, dass im Einzelfall ein strafbares Verhalten vorliegt, sind die formalen Voraussetzungen einer Durchsuchung meist rasch erfüllt. Lediglich die Prüfung der Verhältnismäßigkeit kann hier noch regulierend wirken.

Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sollte hier wohl dadurch gewahrt werden, dass Herrn Bolz angeboten wurde, die Durchsuchung durch freiwillige Mitwirkung zu vermeiden. Trotzdem bleibt der Eingriff in seine Privatsphäre bestehen, denn die Durchsuchung stand unmittelbar bevor und mehrere Polizeibeamte erschienen am frühen Morgen vor seinem Wohnhaus. Ein solcher Vorgang ist ein einschneidendes Erlebnis, das nicht nur den Beschuldigten selbst betrifft, sondern auch Dritte – hier seine Ehefrau und Kinder.

Dabei ist zu berücksichtigen, dass Herr Bolz nie bestritten hat, den Beitrag in der Öffentlichkeit selbst verfasst zu haben. Es erscheint daher zweifelhaft, dass er dies im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens in Abrede gestellt hätte.

Unter diesen Umständen erscheint die Anordnung einer Hausdurchsuchung zumindest zweifelhaft, da der Eingriff in keinem angemessenen Verhältnis zum Gewicht des Tatvorwurfs und zur Erforderlichkeit der Maßnahme stand. Es spricht vieles dafür, dass der Beweis auch ohne eine Durchsuchung hätte geführt werden können.

Der Fall „Schwachkopf“ – Beleidigung mit Hausdurchsuchung (und die Verhältnismäßigkeit)
Anders gelagert ist der Fall zum sog. „Schwachkopf“-Meme: Ein Nutzer soll auf X ein Meme gepostet haben, in dem Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck als „Schwachkopf“ bezeichnet wurde. Auch hier kam es zu einer Hausdurchsuchung – obwohl der Grundtatbestand Beleidigung (§ 185 StGB) vergleichsweise leicht wiegt. Selbst wenn vorliegend von dem qualifizierten Tatbestand des § 188 StGB (Beleidigung gegen Personen des politischen Lebens, wenn die Tat das öffentliche Wirken erheblich zu erschweren geeignet ist) ausgegangen werden sollte.

Parallel standen Vorwürfe im Raum, die in Richtung Volksverhetzung (§ 130 StGB) deuten; diese sollten aber nicht Grundlage einer Durchsuchung gewesen sein und bleiben hier außer Betracht.

Verhältnismäßigkeit: Die §§ 102 ff. StPO beschränken Hausdurchsuchungen nicht auf mittel oder schwerwiegende Kriminalität; tatbestandlich genügt bereits ein Anfangsverdacht. Gleichzeitig gilt der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz immer: Die Maßnahme muss geeignet, erforderlich und angemessen sein; mildere Mittel dürfen nicht ausreichen. Mein Fazit: Eine Durchsuchung allein wegen des Verdachts der Beleidigung (§ 185 StGB) ist – gemessen am Eingriffsgewicht – regelmäßig schwer begründbar; daran ändert auch die Qualifikation des § 188 StGB nichts.

Das heißt: Auch „Bagatellen“ können zu Durchsuchungen führen – aber mit hohem Begründungsdruck

Eine Hausdurchsuchung ist nicht auf schwere Kriminalität beschränkt. Auch bei Beleidigung oder Sachbeschädigung(z. B. Graffiti) kann sie rechtmäßig sein – sofern ein Anfangsverdacht besteht, Beweismittel erwartet werden können und die Maßnahme verhältnismäßig ist.

Praxisblick: Gerade bei Bagatelldelikten wie Beleidigung oder Sachbeschädigung werden Durchsuchungen von den Obergerichten oft gehalten – obwohl das Bundesverfassungsgericht seit Jahren verlangt, naheliegende, grundrechtsschonende Alternativen (z. B. Auskunftsersuchen an Plattform-/Diensteanbieter, gezieltes Herausgabeverlangen, Vorladung zur Account Klärung) ernsthaft zu prüfen. In der Praxis werden entsprechende Anträge gleichwohl häufig gehalten und staatsanwaltschaftliche Anträge nicht selten durchgewunken. Daran ändert auch die Qualifikation des § 188 StGB nichts.

Was bedeutet das für Betroffene?

1) Beschluss zeigen lassen & sichern

  • Verlangen Sie den Durchsuchungsbeschluss.
  • Prüfen: Tatvorwurf, genaue Räume/Objekte, gesuchte Beweismittel, Datum/Unterschrift.
  • Kopie oder Foto anfertigen, Aktenzeichen notieren.

2) Keine Aussage zur Sache

  • Nur Personalien angeben (Name, Anschrift, Geburtsdatum).
  • Im Übrigen konsequent schweigen – keine Erklärungen, keine informellen Gespräche.

3) Sofort anwaltlichen Beistand kontaktieren

  • Lassen Sie sich beraten, bevor die Maßnahme beginnt.
  • Nennen Sie den Namen Ihrer Anwältin oder Ihres Anwalts gegenüber den Einsatzkräften.

4) Keine „freiwillige“ Herausgabe ohne Beratung

  • Nichts freiwillig übergeben oder zustimmen, bevor anwaltlich geprüft wurde.
  • Falls etwas mitgenommen werden soll: förmliche Beschlagnahme verlangen und Widerspruch protokollieren lassen.

5) Keine Passwörter, PINs oder Codes preisgeben

  • Keine Zugangsdaten nennen, ohne das vorher mit einem Anwalt geprüft zu haben. Es bürgt immer die Gefahr von sog. Zufallsfunden und neuen Vorwürfen.

FAQ Hausdurchsuchung wegen Social Media

Eine Hausdurchsuchung darf grundsätzlich nur auf Grundlage eines richterlichen Beschlusses erfolgen (§§ 102, 105 StPO).
Nur bei „Gefahr im Verzug“ – also wenn der Zweck der Maßnahme durch das Abwarten einer richterlichen Entscheidung gefährdet wäre – dürfen Staatsanwaltschaft oder Polizei selbst tätig werden.
In der Praxis wird das häufig angenommen, liegt aber tatsächlich nur selten vor.
Ja. Schon ein einzelner Beitrag auf X, Facebook oder Instagram kann Ermittlungen auslösen, wenn er den Verdacht einer Straftat – etwa Volksverhetzung (§ 130 StGB), Beleidigung (§ 185 StGB) oder Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen (§ 86a StGB) – begründet.
Nur in absoluten Ausnahmefällen, wenn Gefahr im Verzug besteht.
Fehlt ein richterlicher Beschluss und ist kein solcher Fall gegeben, ist die Maßnahme rechtswidrig.
Ja. Liegt ein richterlicher Durchsuchungsbeschluss vor, dürfen die Einsatzkräfte die Wohnung notfalls gewaltsam öffnen.
Kooperieren Sie, indem Sie die Maßnahme dulden, also nicht behindern – helfen Sie aber nicht aktiv mit, etwa durch die Herausgabe von Passwörtern, PINs oder Zugangsdaten.

Der Beschluss muss enthalten:

  • den Tatvorwurf,
  • die konkreten Räume oder Gegenstände, die durchsucht werden sollen,
  • die gesuchten Beweismittel,
  • Datum, Unterschrift und Aktenzeichen.

Fehlen diese Angaben, kann die Maßnahme rechtswidrig sein.

Nein. Sie sind nicht verpflichtet, Angaben zur Sache zu machen und sollten von Ihrem Schweigerecht auch gebrauch machen.
Geben Sie ausschließlich Ihre Personalien an.
Ja, sofern sie als mögliche Beweismittel in Betracht kommen.
Nein. Sie sind nicht verpflichtet, Zugangsdaten herauszugeben. Auch mündliche Preisgaben können später gegen Sie verwendet werden – daher: nichts nennen, nichts tippen.
  1. Ruhe bewahren.
  2. Beschluss zeigen lassen und sichern (Kopie oder Foto).
  3. Keine Aussage – nur Personalien angeben.
  4. Anwältin oder Anwalt kontaktieren, bevor Sie handeln oder etwas herausgeben.

Ausführliche Handlungsempfehlungen finden Sie hier:
Hausdurchsuchung – was tun?

Lassen Sie durch eine Anwältin oder einen Anwalt Akteneinsicht nehmen und prüfen, ob die Maßnahme rechtmäßig war und entwerfen Sie frühzeitig mit Ihrem Anwalt eine gute Verteidigungsstrategie.
  • Schweigen. Keine Angaben ohne anwaltliche Beratung.
  • Beschluss und Durchsuchungsprotokoll sichern.
  • Beraten lassen. Frühzeitig anwaltlichen Beistand einschalten – am besten durch eine Fachanwältin oder einen Fachanwalt für Strafrecht.

Kontakt:

Tel.: 030 439 72 61 30
Notfall: 0176 626 76 841
E-Mail: info@ra-laaser.de

Weitere Informationen und Checklisten finden Sie unter:
Hausdurchsuchung – was tun?